Am 20. August jährte sich die Amtseinführung unseres Stadtbürgermeisters Oliver Krügel. Im Gespräch mit der Rhein-Lahn-Zeitung zog er eine erste Zwischenbilanz und berichtete von einem intensiven ersten Amtsjahr. Unter der Überschrift
„Ein Jahr im Amt: „Ü-Ei“ und dicke Bretter“
erschien das Interview in der Rhein-Lahn-Zeitung vom Samstag, den 26. September 2020.
Herr Krügel, ein Jahr Amtszeit liegt hinter Ihnen – ein Jahr, in dem mit und ohne Ihr Zutun in Bad Ems viel passiert ist. Hätten Sie sich das so vorgestellt?
Ich wusste, dass viel Arbeit auf mich zukommen würde. Aber mit einigen Dingen war im Vorfeld einfach nicht zu rechnen. Und da spreche ich nicht nur von der Corona-Pandemie. Auch die Insolvenz der Hufeland-Klinik, die Immobilie befindet sich noch im städtischen Eigentum,
hatte niemand auf dem Schirm. Damit habe ich erst 2023 gerechnet, da wäre der Mietvertrag mit der Stadt nämlich ausgelaufen.
Inwiefern war der Verkauf der Hufeland-Klinik eine Herausforderung für Sie als frisch gebackener Stadtbürgermeister?
Da gab es dicke Bretter zu bohren und es galt viel zu verlieren - 4,7 Mio. € betrug zum damaligen Zeitpunkt noch die Restschuld. Wenn wir dieses Darlehen hätten weiter tilgen müssen, ohne die entsprechende Gegenfinanzierung durch die Mietzahlungen gewährleisten zu können, hätte dies Konsequenzen in allen Bereichen der Stadt gehabt. Eine Schließung der pneumologischen Fachklinik wäre schlussendlich auch ein großer Verlust für den Gesundheitsstandort gewesen. Herausfordernd war der zeitliche Aufwand, die Einarbeitung in neue Materien sowie die verschiedenen Schauplätze - Kommunalrecht und Verwaltung sowie Politik. Da waren regelmäßige Gespräche und Verhandlungen in den frühen Morgenstunden oder auch mal spätabends notwendig. Unter den Strich konnte der Stadt nichts Besseres passieren, denn der neue Eigentümer ist ein Gewinn für die Stadt, auch wenn dies ein hartes Stück Arbeit war.
Ich bin froh, dass es geklappt hat.
Geklappt hat es auch mit dem Bau des Thermenhotels. Als sich die Denkmalpflege in Mainz einschaltete und auf die Hotelbaupläne wegen der Welterbebewerbung Great Spas of Europe einen kritischen Blick warf, schien das Vorhaben kurz zu wackeln. Was hatte die Stadt oder Sie als Stadtchef damit zu tun?
Wir haben die Planungshoheit hinsichtlich des Bauplanungsrechts, das Wort der Stadt hat damit Gewicht. Der Stadtrat stand bis dato immer zu der Emser Therme und weiß um die Bedeutung für das große Ganze. Das neue Thermenhotel schafft 50 neue Arbeitsplätze, zahlt Steuern und liefert dringend benötigte Hotelkapazitäten, die wir auch im Hinblick auf die Welterbebewerbung benötigen. Zudem müssen wir uns weiterentwickeln und die Emser Therme ist ein wichtiges Puzzleteil. Dies sind mehr als Gründe genug gewesen, sich bei der GDKE und Kreisverwaltung deutlich für den Hotelneubau einzusetzen und diese Haltung durchzusetzen.
Dies war und ist meine Aufgabe als Stadtbürgermeister.
Wie wichtig ist der Tourismus für die Stadt und was kann die Stadt für den Tourismus tun?
Sehr wichtig! Die Corona-Krise und die damit zwangsweise Einschränkung der Reisen ins Ausland hat vielen zu Inlandsreisen bewegt. Dieser Trend wird sich nach Schätzungen der Touristikbranche vorerst fortsetzen. Und wir rechnen im Falle einer Anerkennung als „Great-Spa-of-Europe“ mit einer weiteren vorsichtigen Steigerung der Besucherzahlen von 5-8 %. Doch nicht nur diese Bewerbung birgt Potenzial. Wir haben eine wunderschöne Stadt und auch unsere Region hat viel zu bieten. Dies müssen wir positiv voranstellen und aktiv vermarkten. Auch als Vorsitzender der Touristik Bad Ems-Nassau ist mir daran gelegen, dass dies auch in der Praxis umgesetzt wird, und da sind wir auf einem guten Weg.
Als Stadt müssen wir gemeinsam alles daransetzen, diese Attraktivität zu erhalten und kontinuierlich zu steigern sowie unser Angebot stetig auszubauen.
Nicht alles, was Sie als Stadtbürgermeister befürworten, kann umgesetzt werden. Vom Kauf des Vier-Türmes-Hauses hat die Stadt Abstand genommen. Dort sollte auch Ihr Büro untergebracht werden. Was ist da passiert und was planen Sie jetzt?
Vor meiner Amtszeit, im Januar 2019, hat die Stadt deutliche Signale erhalten, dass das Projekt Vier-Türme-Haus von den Aufsichtsbehörden nicht genehmigt werden könnte. Davon war der damalige Stadtrat, dem ich als Fraktionssprecher der CDU angehörte, nicht in Kenntnis gesetzt.
Ich behaupte heute, wir hätten mit diesen Informationen früher die Notbremse gezogen, auch wenn ich ein Fan des Vier-Türme-Haus bin. Heute kommt lediglich eine städtische Immobilie in Frage, in der wir alle Funktionsbereiche unterbringen können und diese ist das Alte Rathaus. Diese Städtebauförderung sieht hier eine 80% Förderung vor und beim Alten Rathaus besteht ein Sanierungsstau von schätzungsweise 2 Millionen Euro bei Dach und Fach. Wenn wir ohnehin investieren müssen, um diese Werte zu erhalten, ist diese Investition sinnvoll.
Bei dieser Gelegenheit könnten wir ein Haus der Begegnung schaffen und Stadtbücherei, Museum, JUZ sowie Stadtbüro unter dieses eine Dach zu bringen, auch wenn wir dann finanziell mehr investieren müssten.
Ein Projekt, mit dem man Sie wahrscheinlich ewig in Verbindung bringen wird, ist die viel und kontrovers diskutierte Kita Römergarten. Manche sprachen während Ihres Wahlkampfs und auch später von einem Hirngespinst. Wie realistisch ist der Kindergarten im Supermarkt heute?
Sehr realistisch! Wir wissen heute, nach zwei Planungsphasen durch ein renommiertes Architekturbüro und Rückmeldungen von Seiten der Behörden, dass dort eine Kita geschaffen werden kann. Dies wurde hauptsächlich in Zweifel gestellt und diese sind mittlerweile fachkundig widerlegt. Betrachten wir die Kita Play & Fun in der Arzbacher Straße, sehen wir ein erfolgreiches Beispiel hier vor Ort, wie aus leerstehenden Immobilien Kindertagesstätten werden können. Der Entwurf einer neuen Verwaltungsvorschrift für das Jahr 2021 erwähnt nun auch Mietobjekte klarstellend als förderfähig, auch wenn diese zuvor nicht ausgeschlossen waren. Dies kommt nicht von ungefähr, denn auch andernorts sind bebaubare Flächen rar. Der Stadtrat hat inzwischen die Architekten- und Ingenieurleistung für die Leistungsphase 3 vergeben, damit wir nach der Kostenschätzung nun eine Kostenberechnung erhalten.
Zudem hat der Rat dem Mietvertragsentwurf zugestimmt. Für die Beantragung von Fördermitteln sind die Einreichung von Kostenberechnung und Mietvertragsentwurf erforderlich und den Antrag können wir voraussichtlich im Dezember stellen.
Was macht Ihnen zurzeit Sorgen?
Neben dem Zustand unseres Waldes aufgrund des Klimawandels, sind die finanziellen Folgen der Corona-Krise für uns als Kommune ein großes Thema und heute noch nicht absehbar. Wir sind eher ländlich geprägt und daher besonders auf die Einkommenssteueranteile angewiesen, neben der Gewerbesteuer. Durch diese schwierige Zeit der Kurzarbeit, die viele Mitbürgerinnen und Mitbürger durchleben mussten oder immer noch durchleben, wird auch die Stadt Einbußen erleben.
Wie schätzen Sie die Zusammenarbeit mit der Verwaltung ein?
Wir haben ein gutes Miteinander und ich kann mich auf die Kolleginnen und Kollegen im Rathaus verlassen. Zudem pflege ich mit Verbandsbürgermeister Uwe Bruchhäuser einen guten sowie steten Kontakt und schätze ihn.
Und wenn es Dinge zu klären gibt, dann setze ich lieber auf gute Argumente, statt drauf loszupoltern und auf die Verwaltung zu schimpfen.
Wie schätzen Sie die Zusammenarbeit mit dem Stadtrat und den anderen Gremien ein?
Wir arbeiten konstruktiv an den Sachthemen, auch wenn wir nicht immer alle einer Meinung sind. Dies gehört zur Demokratie und dient der Sache. Schlussendlich zählen auch hier die Argumente und großartigen Bewegungsspielraum haben wir auch aufgrund unserer Haushaltssituation ohnehin nicht.
Wie binden Sie die Bad Emser ins Stadtgeschehen und Entscheidungen ein?
Der Kontakt und der Austausch mit den Menschen sind mir sehr wichtig und konstruktive Kritik nehme ich gern an. In Zeiten von Corona wurde dies schwieriger, da habe ich meine monatliche Online-Bürgersprechstunde eingerichtet. Sie war ein neues Format, wurde gut angenommen und hat sich etabliert. Zuschriften, ob klassisch via Brief oder per E-Mail, die Sozialen Medien oder das Internet beantworte ich persönlich.
Mich freut auch der positive Zuspruch aus der Bürgerschaft, den ich bereits an vielen Stellen erfahren durfte. Dies motiviert mich ungemein.
Glauben Sie, dass Sie in Ihrer Amtszeit noch alle aktuellen „Baustellen“ der Stadt abarbeiten können?
Es gibt in Bad Ems weitaus mehr Herausforderungen, als man in fünf Jahren bewältigen kann. Dies habe ich bereits in der Wahlkampfphase betont. Zudem werden womöglich neue Themen aufs Tableau kommen und die Stadt muss sich auch weiterentwickeln. Und in einer Stadt ist es wie in einer Familie, es gibt immer wieder etwas Neues.
Die Fragen stellte die Redakteurin Michaela Cetto von der Rhein-Lahn-Zeitung.