Der internationale Welterbeantrag zu den „Great Spas of Europe“ kommt einen Schritt weiter im Verfahren. Am 2. Oktober endete die sogenannte „technical mission“ des Internationalen Rats für Denkmalpflege (ICOMOS). Gemeinsam mit zehn weiteren Städten aus ganz Europa möchte Bad Ems Weltkulturerbe der UNESCO werden. Die Expertenbegehung gehört zum Evaluationsverfahren, das ICOMOS im Auftrag der UNESCO durchführt. Eine Entscheidung über den Antrag wird frühestens im Sommer 2020 bei der 44. Sitzung des Welterbekomitees der UNESCO in China erwartet.
„Dieser Antrag ist eine große Chance für Bad Ems, das herausragende Erbe des historischen Kurortes zu präsentieren. Mit dem Kurbezirk besitzt die Stadt an der Lahn ein Kleinod und wir hoffen, die Experten bei der Begehung hiervon überzeugt zu haben. Wir sind gespannt auf die Einschätzung von ICOMOS“, so Kulturstaatssekretär Denis Alt, der die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Mission in Bad Ems begrüßte.
In den vergangenen Wochen wurden alle elf Städte des Gemeinschaftsantrags bereist: Neben Bad Ems waren dies die deutschen Kurstädte Baden-Baden und Bad Kissingen sowie europaweit Karlsbad, Franzensbad und Marienbad (CZ), Baden bei Wien (A), Spa (B), Montecatini Terme (I), Vichy (F) sowie die City of Bath (UK).
Von 14. bis 16. September fand diese „technical mission“ in der Lahnstadt statt. Der Rundgang führte die internationale Gruppe zu allen wichtigen Elementen, die die Kurstadt besonders auszeichnen. Unter der Leitung von Dr. Hans-Jürgen Sarholz, Leiter des städtischen Museums und Stadtarchivs Bad Ems, wurden das ehemalige Kurhaus mit der barocken Brunnenhalle sowie der Marmorsaal im Stil der italienischen Renaissance besichtigt, in dem schon Jacques Offenbach, Jenny Lind und Franz Liszt auftraten. Die Besuchsroute führte weiter zum Kurpark mit dem Kaiser-Wilhelm-Denkmal und der Römerstraße mit ihren Hotels und Laufbrunnen, die die Wasserversorgung seit 1839 sicherstellten. Von der Terrasse des Bismarckturms bot sich die Gelegenheit, die Grenzen der nominierten Welterbestätte und ihrer Pufferzone nachzuvollziehen. Eine Fahrt auf der Lahn mit dem Personenschiff „Stadt Bad Ems“ zeigte der Expertengruppe die städtischen Perspektiven vom Wasser aus, die stets für die Stadtplaner und Architekten vergangener Zeiten bei der Gestaltung von Bad Ems eine wichtige Rolle spielten. Ebenfalls besuchte die Gruppe die russische Kirche, die für die vielen russischen Kurgäste auf Anregung der Bad Emser Bürgerinnen und Bürger errichtet und zum Teil durch Zar Alexander II. finanziert wurde. Auch das Mainzer Haus, die ehemalige Kurresidenz des Mainzer Erzbischofs Anselm Franz von Ingelheim, stand auf dem Besuchsplan. Die Gruppe würdigte das bürgerschaftliche Engagement, sich für den Denkmalschutz in Bad Ems einzusetzen, am Beispiel des Bohrturms und des Stellwerks. Anschließend besichtigte man den Bahnhof ebenso wie die Tal- und Bergstation der Malbergbahn.
Bei einer abschließenden Besprechung hatte ICOMOS die Gelegenheit, die Spitzen der Verwaltung von Stadt, Verbandsgemeinde, Landkreis, Staatsbad Bad Ems GmbH, Fachbehörde sowie die Vertreterinnen und Vertreter des zuständigen Kulturministeriums und dem Innenministerium zu befragen.
Der neue Stadtbürgermeister Oliver Krügel zeigt sich der Verantwortung bewusst: „Wir wollen bei der UNESCO die Anerkennung als Welterbe erreichen. Deshalb müssen zu allererst wir selbst täglich aufs Neue beweisen, dass wir unsere Stadt wie ein Welterbe behandeln. Nur wenn sich alle ihrer Verantwortung bewusst sind, kann es gelingen.“
Und Uwe Bruchhäuser, Bürgermeister der Verbandsgemeinde Bad Ems-Nassau, ergänzte: „In unserer Heimat ist Geschichte greifbar, vom Welterbe Limes über Nassau-Oranien bis zum Freiherrn vom Stein. Bad Ems als Teil eines Welterbes würde die ganze Region aufwerten. Wir als Verbandsgemeinde stehen hinter dieser Bewerbung.“
Hintergrund:
Der Antrag zu den Great Spas of Europe wurde unter der Federführung der Tschechischen Republik vorbereitet und Ende Januar 2019 beim Welterbezentrum der UNESCO in Paris eingereicht. Die Great Spas stellen ein Phänomen des 19. Jahrhunderts dar, als manche Kurstädte mit Heilquellen internationale Bedeutung erlangten. Ihre städtebauliche Anlage weist bestimmte Charakteristika auf ebenso wie die sie umgebende Landschaft, die in der Kurtradition therapeutische Funktion übernehmen sollte. Hier konzentrieren sich oft auf dem Gebiet von Kleinstädten Infrastrukturelemente, wie sie für Großstädte signifikant sind. Diese Kurstädte waren Pioniere des Tourismus und in einem bestimmten Aspekt Wegbereiter der Demokratie: das Kuren schaffte Möglichkeiten der Begegnung für (fast) alle gesellschaftlichen Schichten in einer Art, die anderswo nicht denkbar war. Man konnte dem deutschen Kaiser in der Früh am Brunnen begegnen, wo man sich ein Glas Wasser geben ließ; konnte ihm beim Spazierengehen im Park über den Weg laufen und ihn am Abend im Theater antreffen. Bürgertum und Adel kamen miteinander ins Gespräch und benützten teils dieselben Räumlichkeiten. Künstlerinnen und Künstler aller Sparten sorgten für ein lebendiges, hochrangiges Kulturleben „in der Saison“.